B.A.R.F = Goldstandard?

Die Grundidee des Barfens ist eine großartige. In der Praxis dagegen ist es leider oft eher verwirrend als hilfreich.
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Mein Herz schlägt für die richtige Ernährung von Hunden. Und da geht´s schon los. Im ersten Satz gleich dieses schreckliche Wort: Richtig. So´n Quatsch. Ich werde dir in diesem Artikel keine Details für einen superduperfluffyrundumsorglos Ernährungsfahrplan für dein Tier geben. Dieses Thema ist so riesengroß, da gehe ich lieber Stück für Stück vor und gebe dir diesmal „nur“ eine persönliche Positionsbestimmung. In diesem Artikel erzähle ich dir von meinem Weg vom Trockenfutter, über´s B.A.R.F.en zur Rohfleischfütterung. Jetzt schon verwirrend? Dann bitte gern weiterlesen. Los geht´s:

Frisch nach Schule und Prüfung, die Tinte auf den jeweiligen Eintragungen und Zulassungen noch nicht ganz trocken, wusste ich genau wie der Hase läuft. Zu laufen hat. Öhm, laufen sollte. Also theoretisch. Dann kam der Praxisalltag und die Individualität jedes einzelnen Tier/Halter-Gespanns und es wurde haarig. Vor allem bei der Frage, was der vierbeinige Patient fressen soll. Denn die erlernte Theorie und die Praxis auf vier Pfoten liegen erstens oft Welten auseinander und zweitens hat vieles auswendiggelernte meinen praktischen Erfahrungen einfach nicht standgehalten. Um zu erklären, warum ich das Thema B.A.R.F. für meine eigenen Hunde und für die Hunde meiner Kunden in die Tonne gehauen habe, muss ich ein wenig ausholen.

Getreu meinen Wurzeln eines schulmedizinisch tickenden Elternhauses, ging ich mit meinem ersten Hund zum Tierarzt um das neue Familienmitglied vorzustellen und habe mir erklären lassen, wie die Gesundheitsvorsorge auszusehen hat. Das Futter zog praktischer Weise gleich mit dem Welpen zusammen ein. Trockenfutter, was sonst? Die Wohnungskatzen meiner Kindheit bekamen auch die guten alten „Brekkies“ aus dem Pappkarton. Das müffelt nicht, es schmiert nicht, man kann es tagelang stehen lassen und teuer ist es auch nicht. Perfekt.

Von B.A.R.F. (im Folgenden nur noch Barf) hörte ich das erste Mal beim Hundetraining, lange vor meiner Ausbildung zur Tierheilpraktikerin. Biologisch artgerechte Rohfleischfütterung. Wow! Meine Trainerin war restlos begeistert. Das, so erklärte sie uns, sei die einzig wahre Form der Hundeernährung. Die Handhabe klang zwar ein bisschen nach Kernphysik, aber gut, zum Dank für die Mühe würde der Hund weniger übel riechen, schöneres Fell bekommen, weniger Haufen in die Welt setzen und hey, man würde halt alles richtig richtig machen, ne?

Damals wie heute, finde ich, klingt es irritierender Weise schnell nach Sekte, wenn über Barf gesprochen wird.

Mit dem Vortrag meiner Trainerin im Hinterkopf und einem unendlich schlechten Gewissen, fuhr ich damals nach Hause und fing an über Barf zu recherchieren. Ich versuchte mich wochenlang immer wieder durch dieses Gewirr an Vorgaben und Prozentsätzen in Relation zu Alter und Gewicht des Hundes zu kämpfen. Ich hatte inzwischen Fachliteratur, Ausdrucke aus dem world wide web, Notizen von gut gemeinten Ratschlägen und Tipps von bereits freidrehenden, äh erfahrenen Barfern.

Die eine Frage, die mich aber von Anfang an, seit dem Erstkontakt mit diesem Thema auf dem Hundeplatz gepiekst hat, war, ob die Halter, die diese briefwaagengenaue Futterportionierung, die unter Berücksichtigung aller erforderlichen ernährungsphysiologischen Notwendigkeiten abgestimmt auf Alter, Gewicht und Hormonstatus des Tieres predigen, dem eigenen Essen oder gar der Fertigpizza für ihre Kinder ähnlich kritisch gegenüber stehen.

Wird da im gleichen Zuge zur Portionierung des Tierfutters der eigene Speiseplan genauso akribisch erstellt?

Werden da alle lebensnotwendigen Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Proteine (Eiweiß), Fette, Kohlenhydrate, Ballaststoffe in genau dem Mengenverhältnis gereicht, wie der menschliche Organismus es nach neuesten Studien bräuchte? Also dann: RESPEKT! Aber ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und vermute: „Dat glöv ick nich!“, wie der Nordfriese sagen würde. Das glaube ich nicht. Entschuldigung, aber das ist doch nicht normal.

Als meine Kinder noch ganz klein waren und anfangen sollten feste Nahrung zu sich zunehmen, gab es den einen oder anderen Kampf zwischen den geschmacklichen Vorlieben meiner Mädels und meinem mütterlichen Pflichtbewusstsein, die jungen Damen auch ja ausgewogen zu ernähren. Mein Hausarzt tröstete damals meine Verzweiflung mit dem Satz: „Es muss viel passieren, bis ein Mitteleuropäer mangelernährt ist.“. Für diese pragmatische Sicht bin ich ihm noch heute dankbar, denn

Gesundheit ist (leider) ein Geschäft.

Egal ob es unsere Kinder, uns selbst oder eben unsere Haustiere betrifft. Ob es um Impfungen, allgemeine Gesundheitsvorsorge mit Hilfe von Nahrungsergänzung oder um die schlichte tägliche Ernährung geht. Es ist und bleibt ein Geschäft.

Dabei ist die Grundidee des Barfens eine großartige. Frische Zutaten zusammengestellt und abgestimmt auf den jeweiligen Gesundheitszustand und Energiebedarf deines Hundes. Als Alternative zu industriegefertigtem Fertigfutter (egal welches) immer noch, auch für mich, ein bisschen der heilige Gral, das gebe ich zu. Und vor ein paar Jahren, nach dem ich im Rahmen meiner Ausbildung dank einer wunderbaren Dozentin die Scheu vor Barf endlich ablegen konnte, habe ich auch noch gebarft. Das habe ich mich allerdings im Laufe der Zeit gar nicht mehr getraut zu behaupten. Und ich wollte es auch nicht mehr, denn die Extremisten unter den Barfern reißen dich in Stücke, wenn du Ernährungspläne diskutierst und die nicht mindestens so kompliziert sind wie Raketenbaupläne.

Die Grundidee des Barfens ist nämlich auch, dass der Hund möglichst ernährt werden sollte, wie ein Wolf und damit beginnt der Tanz. Wölfe sind ja bekanntlich Raubtiere, also nimmt man die Beute eines Wolfes auseinander und baut sie für den Hund nach. Denn wir wollen für unsere Hunde so nah an die Natur wie möglich. Also nicht bei Zucht oder Haltung, Gott bewahre und schon gar nicht mit der Erziehung, aber wenigstens doch bitte bei der Ernährung. Wölfe, die Urväter unserer Plüschnasen müffeln nämlich nie, haben nie Schuppen oder stumpfes Fell und werden nicht krank in ihrem langen Leben. Sollte es doch mal zu einer gesundheitlichen oder versorgungstechnischen Schieflage kommen, weiß der Wolf, wie er sich mit den verschiedensten Ölen, Kräutern und Beeren zu helfen hat. Das lasse ich jetzt mal ganz plump so stehen, denn allein die Auseinandersetzung mit dem Für und Wider dieser Aussage, könnte ein Buch füllen und das haben andere auch schon zu Hauf getan.

In dem einen Jahr belegen Studien, dass Hunde und Wölfe sich soooo ähnlich sind, im nächsten Jahr belegen Studien, dass Hunde viel besser mit Kohlenhydraten umgehen können als Wölfe, im Jahr darauf wird ein Teil dieser Aussage revidiert, weil neueste Erkenntnisse etwas anderes sagen und so weiter und so fort. Ich gebe mir zwar Mühe diese Entwicklungen alle mitzubekommen, frage bei diesen Studien aber immer: Wer hat jetzt was davon?

Für mich ist tatsächlich gar nicht entscheidend, wieviel Wolf noch im Hund steckt. Der Hund ist ein Hund und kein Wolf.

Aus Wölfen wurden Hunde als sie anfingen uns zu folgen, während sie unsere Reste gefressen haben. So und jetzt muss ich aufpassen, denn dieser Artikel soll nicht den Einsatz von Fertigfuttermitteln legitimieren! Der Barf-Hype ist eine Sache, aber die schadhafte Zusammensetzung der meisten Fertigfutter eine andere.

Das Paradoxeste an der Barf-Kultur ist für mich, dass es sich fast immer nur um Hunde dreht. Katzen zu barfen ist immer noch recht exotisch. Gut, wenn die Herrschaften raus dürfen, hat sich das Thema auch erledigt, denn dann regeln sie ihren Speiseplan weitestgehend selbst.

Selbstverständlich ist es mehr als sinnvoll, bei der Ernährung einer anderen Spezies, die absolut davon abhängig ist, was wir ihr vorsetzen (wie gesagt Katzen, so denn sie raus dürfen, sind da ganz klar im Vorteil gegenüber Hunden) darüber informiert zu sein, was deren Organismus braucht. Fertigfutter, vor allem Trockenfutter braucht niemand. Ich persönlich als Privatperson brauche aber auch kein Barf, ich habe auch noch andere Hobbies.

Was mich bei dieser Fütterungsmethode so auf die Palme bringt, ist die Tatsache, dass hier ganz viel mit der Angst der Tierhalter gearbeitet wird, es nicht richtig zu machen. Grundsätzlich eine tolle Idee, Tiere so artgerecht wie möglich zu ernähren, aber warum muss ich denn daraus eine Wissenschaft machen? Wobei ich der Vollständigkeit halber schon sagen muss, dass es natürlich Rahmenbedingungen gibt, die tatsächlich nicht ganz ohne sind. Die Ernährung von Welpen und Junghunden wird zum Beispiel in der Tat oft unterschätzt. Da wird sich ein Ernährungsplan aus dem Netz runtergeladen und der wird dann ein halbes Jahr lang durchgezogen, anstatt ihn, wie es notwendig wäre, wöchentlich anzupassen.

Wem das im Alltag für sich und seinen Welpen zu nervig ist, der sollte tatsächlich von dieser Art der Fütterung Abstand nehmen.

Das sind dann die berühmten Fälle, die leider gern viral gehen, wenn hoffnungslos mangel- oder fehlernährte Tiere viel zu spät beim Tierarzt vorgestellt werden.

Mir liegt es sehr am Herzen, dass du als Hundehalter die Verantwortung deines Vierbeiners in die eigenen Hände nehmen kannst. Wenn du deinen Hund mit rohem Fleisch ernähren möchtest, hilft es meiner Meinung nach immer den Aufwand für´s Tier mit dem für die eigenen Mahlzeiten zu vergleichen. Kochst du mit vorheriger Bedarfsanalyse? Bestimmt nicht. Du weißt aber auch, dass du dich nicht nur von Fleisch, nur von Brot oder nur von Zucker ernähren solltest, oder? Es gibt Anforderungen des Hundeorganismus, die berücksichtigt werden müssen, damit das Tier keinen Mangel entwickelt. Das ist richtig. Sozusagen ein paar Spielregeln, die du einhalten musst, so wie du einem Pony kein Fleisch in den Futtereimer gibst, aber es ist schade, dass eine so wunderbare Sache wie die Rohfleischfütterung für Hunde so aufgebauscht und verkompliziert wird, dass sich viele Halter nicht zutrauen, es zu versuchen. Wenn du Starthilfe brauchst, frag jemanden, der sich damit auskennt, aber bitte hör´ niemals auf selber mitzudenken!

Von Herzen tierische Grüße,
Claudia

Hallo, mein Name ist Claudia,

und du findest mich in Niebüll am nördlichsten Zipfel Nordfrieslands. Hier lebe ich mit meiner Familie und meinen Hunden. Als professionelle Hundetrainerin, zertifizierte Tierheilpraktikerin und Ernährungsberaterin für Hunde bekommst du bei mir die Antworten, die du für dich und deinen Hund suchst.

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